Lebenslauf von Woldemar Bargiel
Woldemar Bargiel wurde am 3.Oktober 1828 in Berlin geboren. Sein Vater, Adolph Bargiel (1783-1841) war Lehrer für Klavier und Gesang in Berlin und seine Mutter, Marianne Bargiel (geb. Tromlitz, 1797-1872) war Pianistin und Sängerin. Ihr Großvater war der berühmte Flötenvirtuose Johann Georg Tromlitz (1725-1805). Adolph Bargiel war Marianne Tromlitz' zweiter Mann, vorher war sie mit Friedrich Wieck (1785-1873) verheiratet und sie ist auch die Mutter von Clara Schumann (1819-1896). Somit ist sie Woldemar Bargiels Halbschwester. Man kann also sagen, dass Woldemars Chancen Musiker zu werden nicht schlecht standen. Er bekam schon früh Musikunterricht, zunächst in der Familie und dann bei dem Musiktheoretiker Siegfried Wilhelm Dehn. Vielleicht liegt es an dieser frühen und sorgfältigen Ausbildung, dass Woldemar Bargiel stets auf eine wohlgeordnete Struktur in seinen Werken bedacht war. Robert Schumann war es, der Bargiel riet, ans Leipziger Konservatorium zu gehen, aber auch Felix Mendelssohn Bartholdy half vermittelnd bei diesem für Bargiel so wichtigen Schritt. Dies war im Jahre 1846, Bargiel war also erst 18 Jahre alt. In Leipzig studierte er dann u.a. bei Niels Wilhelm Gade, Ignaz Moscheles, Julius Rietz und Moritz Hauptmann. Vier Jahre später, also 1850, kehrte Bargiel nach Berlin zurück, um sich hier als Privatlehrer zu betätigen, eine Beschäftigung, die sowohl mühsam als auch ziellos war. Immerhin gelang es ihm in dieser Zeit, ein paar Kompositionen bei bekannten Verlegern veröffentlichen zu lassen (u.a. das Klaviertrio op. 6 sowie einige Klavierwerke). Hierbei halfen wiederum seine Schwester Clara und Robert Schumann. Nicht nur in der Welt der Musik ist es oft hilfreich, bekannte Persönlichkeiten zu kennen, die die eigene Karriere unterstützen. Man mag dies kritisch sehen, aber es trifft auch zu, wenn man sagt, dass ohne diese Konstellation so manches großartige Kunstwerk nie einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich geworden wäre. Bargiel jedenfalls bietet sich nun, wir befinden uns mittlerweile im Jahre 1859, die Möglichkeit, als Lehrer für Musiktheorie ans Kölner Konservatorium zu gehen. Ferdinand Hiller (ein Freund Mendelssohns) lud ihn hierzu ein. Seine Anstellung in Köln dauerte bis 1865 als Bargiel nach Rotterdam ging, um dort als Direktor an der "Maatschappij tot bevordering der toonkunst" zu wirken, eine Position, die umso attraktiver für Bargiel war als dass sie ihm auch die Möglichkeit bot, als Dirigent und Chorleiter tätig zu sein. Hier in Rotterdam lernte er auch Hermine Tours kennen, die er später heiratete. Bargiel blieb bis 1874 in Rotterdam, dann zog es ihn zurück nach Berlin, wo er auf Drängen von Joseph Joachim, dem Gründer der Berliner Musikhochschule, dort Komposition unterrichtete. Joachim und Bargiel kannten sich noch aus Leipzig, wo die beiden zusammen studierten. Bargiel zählte damals zu einem Kreis von Gleichgesinnten und Freunden, dem auch Johannes Brahms angehörte. Viele der sich von der sog. "Neudeutschen Schule" (die Anhänger von Richard Wagner und Franz Liszt) absetzenden konservativen Musiker (z.B. Johannes Brahms, Carl Reinecke, Joseph Joachim, ...) kamen vom Leipziger Konservatorium und auch Bargiels Wurzeln liegen z.T. dort. So ist es kein Wunder, dass seine Musik der Tradition verhaftet ist. Gleichzeitig bietet sie jedoch weit mehr als eine Aufarbeitung der Tradition, denn Bargiels Charakter als Musiker und Mensch spiegelt sich in jeder seiner Kompositionen und verleiht ihnen ein eigenes Gesicht. Bargiel bleibt bis zu seinem Tod am 23. Februar 1897 an der Berliner Musikhochschule. Zu seinen Schülern gehörten Komponisten wie Leopold Godowsky (1870-1938) oder auch Paul Juon (1872-1940). Woldemar Bargiel schrieb neben einigen Werken für Klavier auch eine Symphonie, drei Ouvertüren (Prometheus / Romeo und Julia / Medea), Kammermusik (vier Streichquartette, ein Streichoktett, drei Klaviertrios, eine Violinsonate und eine Suite für Violine und Klavier), ein Adagio für Violoncello und Orchester sowie Vertonungen von Psalmen für Chor und Orchester. Und obwohl Robert Schumann ihn neben anderen Komponisten (wie z.B. Gade, Kirchner, Heller und Joachim) als "hochaufstrebenden Künstler der jüngsten Zeit" erwähnte, blieb Bargiel anhaltender Ruhm verwehrt. Allenfalls als Dirigent und Pädagoge konnte er sich einen Namen machen. Und hatte er auch so sehr von der Hilfe Robert Schumanns und seiner Schwester Clara profitiert, liegt nun doch der Verdacht nahe, dass ihm der Vergleich mit Schumann auch geschadet haben kann. Menschen kategorisieren gern, denn das erleichtert mitunter das Verstehen. Aber es kann auch dazu führen, sich nicht ausreichend mit einzelnen Kunstwerken auseinanderzusetzen. So wurde sicher auch Bargiels Musik mehr als einmal als "im Stile Schumanns" (aber Schumanns Musik nicht gleichwertig) charakterisiert, ohne sich die Mühe zu machen, sich näher mit ihr zu beschäftigen. Dass sich aber gerade dies lohnen kann, kann nicht oft genug betont werden. |
Letzte Änderung am 1. Mai 2004