Lebenslauf von Josef Mysliveček

Bild von Josef Mysliveček In der Kindheit und in frühen Jugendjahren liefen die Lebenserfahrungen der Zwillingsbrüder Josef und Joachim Mysliveček parallel zueinander. Kirche und Schule waren zur damaligen Zeit eng miteinander verknüpft. Auch das Kind, welches nicht Theologie studieren wollte, bekam sein erstes Wissen von Jesuiten und Dominikanern, meistens an Schule der Saint-Gallus-Kirche oder am Clementinium in Prag vermittelt. Im Anschluss an die Grundschule studierten die Brüder Philosophie und Literatur.

Der Spaß näherte sich bald seinem Ende, denn die elterliche Kornmühle benötigte die Söhne als Arbeitskräfte. Beide erlernten das Handwerk des Müllers , bekamen vom Vater den Gesellenbrief und wurden Meister. Doch Josef zog es in die Welt. Er verzichtete auf sein Erbteil und studierte Musik bei Franz Johann Habermann, Unterricht im Orgelspiel bekam er von Josef Seger. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich zunächst als Geiger.

Personen aus dem Adelsstand sehen es immer gern, wenn talentierte Komponisten ihnen ihre Werke widmen. Sie belohnen die kluge Idee mit Protektion, Studienaufenthalten und wirtschaftlichen Vorteilen. Allein sechs Symphonien - nach den ersten sechs Monaten des Jahres benannt - sollten das Andenken des Grafen Vincenz von Waldstein der Nachwelt wach halten. Die Partitur des ersten Violinkonzerts bekam ebenfalls einen Widmungsvermerk an den großzügigen Spender.

Der einflussreiche Mäzen verschaffte Josef Mysliveček die Möglichkeit, in Venedig bei Giovanni Pescetti Gesang und Komposition zu studieren. Das Korn fiel auf fruchtbaren Boden. Sein erstes Bühnenwerk, die Oper „Semiramide“ wurde 1765 in Bergamo uraufgeführt. Schnell wurde „Der kleine Jäger“ wie Josefs Nachnahme in der Übersetzung lauten würde, weithin bekannt - man nannte ihn „Giuseppe Venatori“ oder einfach „Il Boemo“.

Noch heute ist dem Musikfreund seine Oper „Il Bellerofonte“ ein Begriff. Alle anderen Bühnenwerke in italienischer Sprache sind dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen. Die italienischen Musikmetropolen rissen sich um den böhmischen Komponisten. Jede Stadt mit einem großen Operntheater wollte wenigstens mit einer Uraufführung an die Reihe kommen. Für Neapel schrieb Mysliveček 1767 „Il Farnace“, für Florenz 1769 „L'Ipermestra“, für Bologna 1770 „La Ninetti“, für Florenz 1771 „Motezuma“, für Mailand 1771 „Il gran Tamerlano“ für Pavia 1773 „Il Demetrio“, für Neapel 1773 „Romolo ed Ersilia“, für Turin 1773 „Antigona“ , für Venedig 1773 „La Clemenza di Tito“, für Padua 1774 „Atide“. Die letzte Premiere bekam 1780 Rom für „Antigono“. Zwischendurch wurde einmal München im Jahre 1777 Favorit mit „Ezio“ - leider kein Erfolg. Fast alle Libretti stammten von dem Meisterlibrettisten seiner Zeit, Pietro Metastasio. In Ermangelung eines gültigen Urheberrechtes fielen die Tonsetzer über die Texte her, denn jeder glaubte, die besseren kompositorische Einfälle zu haben als der Vorgänger. Die Zukunft wird zeigen, ob der einst Hochdotierte nur noch mit Vionlinkonzerten und Kammermusik dem Musikfreund präsent sein wird oder ob die Medienwirtschaft den enzyklopädischen Gedanken pflegt und ein Aufwachen aus dem Dornröschenschlaf einleitet.

Man bezahlte dem Erfolgreichen die höchsten Honorare - die letzten seiner Meisterwerke wurden mit Spitzenkräften in Neapel uraufgeführt. Man kopierte die Partituren und in den Opernhäusern Europas war „Il Boemo“ auch ein gern gesehener Dirigent der eigenen Werke. Amsterdam und London gaben seine Werke in Druck. Am portugiesischen Hof von Mafra wurden achtzehn seiner Werke vorgestellt. Um in Italien die Fastenzeit zu überbrücken, komponierte Mysliveček Oratorien. In Umlauf blieb bis heute „Abramo ed Isacco“. Den „Orfeo“ Glucks dirigierte der Maestro ebenfalls in Italien. Dort machte er die erste Bekanntschaft mit Wolfgang Amadeus Mozart.

Mozart war es auch, der ihn im Krankenhaus besuchte, als eine tückische Infektion nach ihm griff. Die Lähmung einer Gesichtshälfte machte dem Bedauernswerten zu schaffen. Zu seiner Zeit war die Medizin noch nicht in der Lage, hatte weder die Kunstfertigkeit noch die Medikamente, einfache Infektionskrankheiten in den Griff zu bekommen. Pocken und Syphilis forderten ihren Tribut. Die Diagnosen waren oft falsch und die Operationsmethoden radikal. Man denke an Doktor Eisenbart.

Fortuna hatte sich von ihrem Liebling abgewandt. Dem Maestro musste die Nase operativ entfernt werden und, furchtbar entstellt, verlor der vormals Bewunderte rasch die Liebe und Anbetung seiner Anhängerschaft. Der Stern Myslivečeks sank rapide; einsam, arm und verschuldet verstarb er in 1781 Rom.



Engelbert Hellen
Letzte Änderung am 14. Dezember 2009