Lebenslauf von Erzsébet Szönyi
Am 25. April 1924 wurde Erzsébet Szönyi als einziges Kind der Eheleute Jenö Szönyi und Alice Piszanoff in Budapest geboren. Der Vater war Bankbeamter und liebte die Künste, er sang, zeichnete und malte in seiner Freizeit. Die Mutter war Hausfrau und spielte gut Klavier. So wurde das Kind mit Literatur, Kunst und Musik schon in seiner frühesten Jugend konfrontiert und bekanntgemacht. Erzsébet Szönyi war so schon in dieser frühen Jugendzeit von der Musik durchdrungen. Die Besuche von Opern und Konzerten gehörten zu ihrem Alltag. Durch die Vermittlung ihres Verwandten, dem berühmten Maler Gyula Benczúr erhielt sie dann Klavierunterricht bei Aglája Benczúr. Von 1934-42 besuchte Erzsébet Szönyi die Mädchen-Sekundarschule, wo die bekannte Musiklehrerin und Chordirigentin Adrienne Sztrojanovits unterrichtete. Mit 13 Jahren fing Erzsébet Szönyi an zu komponieren und schrieb zunächst kurze Stücke für Klavier. Sie wurde nun private Studentin in Musiktheorie bei Prof. Miklós Laurisin und studierte bei ihm Harmonielehre. Die ersten Lieder und Chorstücke entstanden und weitere Werke für Klavier. Ihre erste Vokalkomposition (im Stile des 19. Jahrhunderts) war ein Lied nach dem Text "Der Fichtenbaum und die Palme" von Heinrich Heine. Die wichtigste musikalische Erfahrung in dieser Zeit war das Kennenlernen der Chorstücke und Volkslieder von Béla Bartók und Zoltán Kodály, die sie als Pianistin begleitete. Diese Werke inspirierten die junge Komponistin für ihre eigene Vokalmusikkompositionen. Erzsébet Szönyi wurde dann Studentin an der Musikakademie in Budapest, wo sie bei János Viski Unterricht hatte. Viski unterrichtete mit Autorität und im akademischen Stil, unterstützte seine Studierenden aber sehr. Auch der persönliche, freundschaftliche Kontakt mit Zoltán Kodály, den sie durch János Viski kennenlernte, trug sehr zu ihrer weiteren musikalischen Entwicklung bei. Sie musste bei János Viski Kontrapunkt bis zur Perfektion beherrschen und alle Regeln der klassischen Form beachten. Freiheiten erlaubte er nur, wenn die Studenten unabhängige, eigene Ideen hatten. Die ganze Arbeit in der Kompositionsabteilung war durch den Krieg beeinträchtigt, die jungen Studierenden fühlten sich motivationslos und entwurzelt. Von 1945-46 unterrichtete Erzsébet Szönyi dann selbst an der Akademie für den abwesenden Zoltán Kodály, obwohl sie erst 1947 ihr Studium dort beendete. Ihre Examenskomposition war eine "Sinfonie für Orchester" in zwei Versionen: Die erste im akademischen Stil, wie sie es bei ihrem Lehrer Viski gelernt hatte, und die zweite in ihrem eigenen Stil. Erzsébet Szönyi lernte in Budapest Toniy Aubin, der am Konservatorium in Paris Professor für Komposition war, kennen. Dieser empfahl ihr, in Paris weiterzustudieren, was die junge Komponistin dann ab 1947 machte. In Paris begeisterte sie Professoren und Studenten mit ihrem sehr von der ungarischen Volksmusik beeinflussten Stil. Diese besondere Musiksprache trug zu dem Erfolg ihres Divertimento für Orchester bei, das sie in Paris komponierte und bei der Premiere selbst dirigierte. Neben den Kompositionsstudien war ihre wertvollste Erfahrung in Paris der Unterricht in Musikanalyse bei Olivier Messiaen. Er hielt über Claude Debussy einen Kursus und analysierte "Pelleas et Melisande" und "La mer". Daneben hatte sie Unterricht in Nadia Boulangers Begleitungsklasse, wo sie auch Kompositionen von Igor Stravinsky kennenlernte. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie sich in dieser Zeit mit Unterrichten, wobei sie trotz begrenzter Zeit immer weiter komponierte. Nach ihrer Rückkehr nach Ungarn war sie maßgeblich an der Gestaltung des ungarischen Unterrichtswesens beteiligt und unterrichtete sechsjährige Kinder in der Musikakademie mit einer von ihr neu entwickelten Methoden (u.a. Solfeggio). Es lag ihr sehr am Herzen, die Kinder mit zeitgenössischer Musik vertraut zu machen. Das Unterrichten nahm sehr viel ihrer Zeit in Anspruch, so dass sie nur in den Sommermonaten zum Komponieren kam. 1949 entstand ihr erstes Kinderballett. Ab 1953 begann sich ihr Stil zu reifen und sie suchte nach neuen Kompositionswegen. Sie verwirklichte ihren Traum und komponierte ihre erste Oper "Dalma". Nun war sie auch Bühnenkomponistin. Erzsébet Szönyi komponierte von nun an für unterschiedlichste Besetzungen. Vokal- und Bühnenwerke, Kammermusik, Solomusik und Orchestermusikwerke entstanden. 1959 erhielt sie den Erkel-Preis. 1961 entstand das Musical "Der eingebildete Kranke". Ihre zweite schöpferische Phase in den sechziger Jahren war bestimmt durch das Ziel, den Horizont zu erweitern und neue Gattungen zu komponieren. So entstand "Tinódi egri summája", ein Oratorium für Kinderchor, Jugendchor und Solisten entstand, gefolgt von vielen weiteren Werken. Außerdem setzte sie sich mit der Zwölftontechnik auseinander. In dieser Zeit entstanden viele Vokalkompositionen sowie das Orchesterwerk "Allegro" von 1969, das innerhalb dieser kreativen Periode einen Höhepunkt darstellte. Von 1971-1990 erfolgte eine stärkere Hinwendung zur Komposition von Instrumentalstücken, welche durch freie Handhabung der Rhythmen und erweiterte Tonalität geprägt sind. 1966 weilte Erzsébet Szönyi mit Zoltán Kodály an der Stanford University, um dort die Kodály-Methode bekannt zu machen. Das 1986 entstandene Orchesterstück "Zenetörténeti séta kilenc tételben" ist das letzte Werk dieser Gattung, das Erzsébet Szönyi geschrieben hat. Ab 1990 kehrte sie vor allem zu lyrischen und religiösen Vokalkompositionen zurück. 1999 entstand so ein Zyklus für Gesang und Klavier "Blick durchs Fenster" nach Texten von Ingeborg Bachmann, Friedrich Dürrenmatt und Peter Rühmkopf. Auch drei Messen stammen aus dieser Zeit. Erzsébet Szönyi verstarb am 28.12.2019 in Budapest mit 95 Jahren. Literatur: Pintér, Csilla Mária: Erzsébet Szönyi, in: Hungarian Composers – 24, Budapest 2004. Beitrag von Isolde Weiermüller-Backes (Dezember 2019) |
Letzte Änderung am 29. Dezember 2019